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Mein Leben vor und nach der CI Versorgung

Im Alter von einem Jahr wurde ich hochgradig schwerhörig, an Taubheit grenzend. Fragt mich nicht, woher das kommt. Ich habe schon über 20 Jahre nachgeforscht und leider die Ursache nicht gefunden. Heute habe ich damit abgeschlossen.

Zu Beginn zunächst eine kleine, aber ein wenig traurige Geschichte, aber meine Eltern hatten gekämpft und niemals aufgegeben. Von der ersten Untersuchung - das war in Kassel – (genauer weiß ich es nicht) hatten meine Eltern mir erzählt, dass ein Arzt gesagt hatte, dass ich in Heim sollte. Mein Vater war natürlich richtig sauer gewesen.

Danach waren wir in Marburg, wo uns das gleiche gesagt wurde. Durch Bekannte meines Vaters erfuhren wir von Uniklinik Würzburg. So sind wir nach Würzburg gefahren. Dank des Professors und des Hörgeräteakustikers in Würzburg nahm ich eine gute und intensive Entwicklung.

Ich hatte eine wunderbare Kindheit mit meinen Eltern. Ich wurde von ihnen sehr viel gefördert und bin in einem normalen Kindergarten aufgewachsen. Einen privaten Logopäden hatte ich gehabt, um Sprache und Hören optimal zu fördern. Ich trug damals zwei analoge Hörgeräte. Meine Eltern wollten, dass ich ganz normal aufwachse wie andere Kinder auch. Wir waren regelmäßig in Würzburg bis der Professor starb.

Ich machte selbst Musik (C-Flöte und Alt-Flöte) und war früher im Gesangverein mit meinen Eltern. Ich sprach sehr viel, hörte sehr viel instrumentale Musik trotz meines Hörgeräts. Meine Sprache wurde immer mehr gefördert, da ich mehr in der hörenden Welt aufgewachsen war. Bei der Einschulung kam ich nach Homberg in die Schule für Gehörlose und Schwerhörige. Ab da hatte ich zusätzlich die Gebärdensprache gelernt, auch im Unterricht. Meine Eltern konnten keine Gebärdensprache, aber es war ja auch lustig, da ich immer gesagt hatte, dass es eine Geheimsprache war.

Privat war ich oft abwechselnd mit Hörenden und auch mit Gehörlosen zusammen gewesen. Das waren tolle Zeiten. Tja bei Gesprächen mit Normalhörenden, z.B. wenn meine Eltern Besuch hatten, war das nicht einfach. Ich konzentrierte mich voll auf das Lippen ablesen, aber wenn kreuz und quer gesprochen wurde, bin ich dann entweder aus dem Zimmer gegangen oder habe Musik gehört. Durch die Musik konnte ich sehr gut die Töne unterscheiden. Das war mein ganzer Stolz gewesen.

Mein Vater hatte mich überall mitgenommen, damit ich immer wieder etwas Neues lernen konnte und so viele Erfahrungen gesammelt hatte. Bis 1984 war ich in Homberg in der Schule und hatte dort die mittlere Reife gemacht. Kontakte hatte ich genug mit Hörenden, Schwerhörigen und Gehörlosen.

Da ich noch keinen Ausbildungsbildungsplatz gefunden hatte, war ich noch ein Jahr zur Fachhochschulreife für Naturwissenschaft in Essen. Meine Sprache war viel zu gut, da dachten einige, dass ich Normalhörend wäre. Anderseits war es auch mit der Verständigung nicht so einfach für mich. Dann bekam ich digitale Hörgeräte und hörte was ich bisher nur ganz wenig gehört hatte. Ich war happy, als ich zum ersten Mal das Gezwitscher von Vögeln gehört hatte und den Lärm von der Autobahn. Ich konnte fast alles hören mit digitalen Hörgeräte. Telefonieren konnte ich auch schon, aber nur mit meiner Mutter. Mit Fremden war ich am Telefon eher ablehnend, denn trotz mehrmaliger Wiederholungen hatte niemand Rücksicht auf mich genommen.

In meiner Ausbildungszeit zur handwerklichen Buchbinderin lief alles super. Es war ein ganz kleiner Betrieb. Mein damaliger Chef hatte sich sehr viel Zeit für mich genommen. Da er oft auch außerhalb etwas besorgen musste, war ich häufig alleine im kleinen Betrieb. Er hatte Vertrauen zu mir gehabt und ich konnte mit den Kunden sehr gut kommunizieren, was die Kunden wünschen oder wenn die Bestellung abzuholen war. Alles lief reibungslos bis mein Vater starb, da war ich 17 Jahre alt. Genau an diesem Punkt musste ich schon früh Verantwortung übernehmen. Das hatte ich meinem Vater versprochen.

Ich stand sehr offen zu meiner Hörbehinderung. Wenn mich einer nicht akzeptierte, wurde er von mir abgewiesen. Ich machte den Führerschein, aber das erste Auto kam erst später. In Blockzeiten fuhr ich mit dem Zug nach Essen in die Berufsschule. In der Fahrschule hatte ich nur Theorie gemacht, zusammen im Auto lief es nicht so gut und ich bekam somit nur schlechte Fahrpraxis. Deshalb hatte ich beschlossen die Theorie fertig zu machen und diese Prüfung auch bestanden. Die Fahrstunden hatte ich dann bei einem Bekannten gemacht und das war perfekt für mich, so dass ich die praktische Prüfung auch gleich bestand, denn dieser Bekannte konnte ein wenig Gebärdensprache.

Im Schwerhörigen- und im Gehörlosen-Verein hatte ich immer Gebärdensprache benutzt. Nach der Ausbildung war ich erst einmal vier Monate arbeitslos und durch den Bekanntenkreis meines Vaters, bin ich dann in eine große Firma reingekommen. Für mich war es ehrlich gesagt ein sehr harter Kampf gewesen. Da ich sehr gut sprach und auch sehr gut gebärden kann, wurde ich leider von Kollegen immer wieder geärgert, allerdings habe ich mich stets gewehrt, denn das war richtig unfair gegen mich.

Nach zwei Jahren bekam ich einen anderen Posten in der Druckerei, aber auch dort verschlechterte sich die Situation rasch. Ich kam mit den Kollegen einfach nicht zurecht, da die meisten denken: „Die ist hörbehindert und versteht sowieso nichts!“. Ich war in verschiedenen Positionen gewesen mit meinem Kampfgeist. Zum Schluss kam ich dann in die Poststelle, denn da ging es einigermaßen, denn ich hatte einen Kollegen, der zu mir gehalten hat. Trotzdem war es schwer, aber wenigstens konnte ich alleine in Ruhe arbeiten.

Da ich weiterhin Spaß hatte zu lernen, habe ich ein Fernstudium als Tierheilpraktikerin gemacht und fuhr nur zum Praxis-Seminar nach Soltau. Dies begann im März 2008 als es unserem Hund nicht so gut ging. Dort waren wir eine kleine Gruppe und alle haben bei der Unterhaltung Rücksicht auf mich genommen und mir viel geholfen, was sehr lehrreich war.

Im Juni 2009 bekam ich durch meinen HNO-Arzt den Termin in der MHH in Hannover. Ich hatte mich vorher mit meinem HNO-Arzt sehr lange darüber unterhalten ohne Druck und Zwang und entschied mich erst einmal für Untersuchungen zur MHH zu fahren. Drei Tage lang hatte ich dort Untersuchungen gehabt. Auf dem rechten Ohr waren bei mir schon die tiefen Töne fast nicht mehr zu hören. Die ganzen Untersuchungen hatte ich mitgemacht, um Klarheit zu bekommen. Ich war CI-Kandidat auf beiden Ohren.

Dann hatte ich mich mit dem Professor darüber lange unterhalten. Der Professor war sehr überrascht, wie gut ich sprechen und mich ausdrücken konnte. Nach langen Diskussionen mit meinem Mann und meiner Mutter hatte ich mich für das CI entschieden. Mein Mann hatte mich sehr aufgemuntert und gestärkt. Im Oktober 2009 wurde ich auf dem rechten Ohr operiert und implantiert.

Ich habe mir selbst Mut gemacht und mich selbst darin bestärkt, dass das alles gut klappt und dass ich immer positiv denken soll. Die OP war sehr gut verlaufen ohne Komplikationen. Nebenbei hatte ich weiter studiert und gelernt. Sechs Wochen nach der OP bekam ich das erste CI angepasst. Ich war mit meinem Mann dort und wir hatten für eine Woche eine Ferienwohnung gemietet in Hannover. Das war eine unmögliche Micky-Maus-Stimme, die hatte mich so genervt, aber für den ersten Tag war es okay.

Die Geräusche waren ganz anders, so blechern und quäkend, aber ich konnte erkennen welche Geräusche das waren. Ich hatte auch immer gesagt was fehlt und es wurde auch gleich neu eingestellt. Es ist typisch für mich, dass ich unbedingt eine Feineinstellung haben wollte. Nach paar Tagen gab es immer mehr zu hören und es wurde immer angenehmer. Auf der linken Seite hatte ich immer noch das Hörgerät angehabt. Und ich konnte auch telefonieren, auch bei Bekannten und Freunde. Ich habe immer gedacht, was andere können, kann ich auch.

Durch intensives Training im Umfeld und Alltag klappte es immer besser. Das Sprachverstehen wurde immer besser, denn ich habe nie aufgegeben. Ich hatte auch viel mit Tieren zu tun gehabt und war gerne mit dem Tierarzt zusammen. Trotz vieler Störgeräusche konnte ich sehr gut verstehen.

Vogelgezwitscher, Blätter rauschen, Wind, Fahrgeräusche und vieles mehr… Dies hatte ich alles in meinem Kopf durch das Hören aufgenommen. Ich war total happy und so ging das immer weiter. Mit meinen Freunden hatte ich mich regelmäßig getroffen zum Reiten, denn auch der Reithelm war kein Problem. Mal abends ein Bierchen trinken, usw., dies alles war kein Problem für mich.

Meine Tochter wurde 2011 geboren. Meine Tochter und meine ganze Familie sind normalhörend. Erst später sagte meine Tochter zu mir, dass sie gerne Gebärdensprache lernen möchte, weil diese für sie spannend ist. Ich brachte ihr einiges bei. Mit meiner Hörbehinderung kam meine Tochter sehr gut zurecht und darauf bin ich sehr stolz!

Seit 2015 trug ich auf dem linken Ohr kein Hörgerät mehr, denn ich hatte festgestellt, dass inzwischen Hörgerät und CI gar nicht mehr passen und zu unterschiedliche Töne bzw. Sprache ergaben, was mich sehr genervt hatte. So hatte ich das Hörgerät abgenommen und bin nur beim CI geblieben. Im Laufe der Zeit merkte ich, dass das Hören auf nur einem Ohr immer anstrengender wurde.

Die Kommunikation ging zwar gut, aber die notwendige Konzentration machte mich einfach müde mit all den Geräuschen und Unterhaltungen und dann war ich froh, wenn ich Feierabend hatte und dann in der Natur und damit in der Ruhe war. Ich schrieb eine Mail,  dass ich gerne das zweite CI machen lassen möchte.

Im Juni 2017 wurde das zweite CI implantiert. Direkt nach der OP hatte ich schon das CI angehabt. Nun hatte mich die Micky-Maus-Stimme schon gar nicht mehr gestört und die Töne erkannte ich sofort wieder, was mich sehr erleichtert hat. Auch die zweite OP lief ohne Probleme und schon letzte Woche war die Erstanpassung. Nach bereits zwei Tagen hatte ich die Feineinstellung und die Sprachverständigung war schon sehr gut.

Die Last ist endgültig von mir gefallen und mir fiel alles leichter. Mit beiden Ohren zu hören ist einfach herrlich. Ich genieße alles viel intensiver, ich höre Musik, Blätterrauschen, Holz knacksen und viele Geräusche. Alles was in die Ohren rein fließt ist wunderbar. Unterhaltungen genieße ich sehr mit meinen Freunden, meiner Familie und Bekannten. Bald werde ich 50 Jahre alt und Hut ab, dass ich noch alles geschafft habe und bin stolz auf mich selbst und meine wunderbare Familie.

Hier einige meiner Freizeitaktivitäten ohne und mit dem CI

Ich war 25 Jahre im Roten Kreuz als Rettungsassistent, 2 Jahre beim ASB als Rettungssanitäterin, Studium als Tierheilpraktikerin und Verhaltenstherapeutin für Hunde und Pferde, ich habe mein Pferd ausgebildet einschließlich des Einreitens.

In meiner Freizeit treffe ich bis heute auch Gehörlose und Schwerhörige und da unterhalten wir uns in Gebärdensprache ganz automatisch. Mit Normalhörenden spreche ich automatisch ganz normal. Natürlich springe ich auch ein wenn ein Gehörloser meine Hilfe braucht. Dann benutze ich Lautsprache und Gebärdensprache zusammen, damit die beiden Gesprächspartner verstehen. Das ist für mich kein Problem.

In meiner Freizeit bin ich sehr aktiv und mache Kampfkunst Wing Tsun, ich repariere alles Mögliche, fahre mit meinem Oldtimer-Trecker über Felder und Wiesen mit meiner  Tochter, genieße Natur pur. Repariere auch Maschinen mit meinem Mann zusammen, wir basteln, alles Mögliche eben *lach*.

Ich danke meinen Eltern von ganzem tiefsten Herzen, dass ich so gut normal sprechen kann und ihr tolle Förderung. Ich danke meinem Mann sehr, dass er mich voll unterstützt hatte und meiner Tochter, die so verständnisvoll damit umgeht. Ich genieße mein Leben sehr mit meiner Familie, Bekannten, Freunde, auch ein paar Gehörlosen und Schwerhörigen. Immer positives Denken und dann klappt es auch immer (think positive!)

Ich sage DANKE SCHÖN, dass es so etwas gibt, denn von klein auf wollte ich unbedingt alles hören.

Tina Bogdon 

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