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Toll, dass es solche Hörprothesen gibt!

Adelaida Luschnat wurde durch einen Hörsturz aus dem Arbeitsleben geworfen. Inzwischen hat sie den Wiedereinstieg geschafft, nach Mühen und dank vieler Hilfen. Sie schildert ihren Weg dorthin. 

Nach einem stressigen Jahr 2015 begann das neue Arbeitsjahr für mich am Montag, den 4. Januar 2016. Am Abend stellte ich fest, dass mir auf einmal schwindelig wurde. Ich bin deshalb früher schlafen gegangen als üblich.

Am nächsten Morgen hatte ich verschlafen. Ich hatte den Wecker nicht gehört, weil ich mit dem rechten Ohr nichts mehr hörte!  Beim HNO-Arzt erfuhr ich, dass ich einen Hörsturz erlitten hatte. Gleich darauf erhielt ich auch noch die Hiobs-Botschaft, dass Hörsturz eine sogenannte IGEL-Leistung ist. Dies bedeutet, dass ich Medikamente, ärztliche Honorare usw. selbst bezahlen musste. Die  Krankenkassen haben diese Kosten aus ihrem Leistungskatalog gestrichen, da die Ursachen, die zu einem Hörsturz führen, vielseitig sein können und man bis heute nicht den genauen Grund dafür kennt. Mir war, als ob mir jemand mit dem Hammer auf dem Kopf gehauen hätte.

Während der folgenden drei Monate wurden unterschiedliche Behandlungsmethoden angewandt, um mir zu helfen. Doch nichts half! Durch den Schwindel, den ich auch noch hatte, war ich die ersten Monate nicht in der Lage, mit dem ÖPNV zur Ärztin zu fahren und hatte deshalb schon 200,- € pro Woche allein Taxikosten zu bezahlen. Medikamente wie Spritzen, Infusionen und ärztliche Honorare kamen noch hinzu.

Hörsturzpatienten fallen dem „IGEL“ zum Opfer

Nach diesem ersten Quartal teilte mir meine HNO-Ärztin mit, dass ich eine CI-Kandidatin wäre. Da habe ich dieses Wort „Cochlea Implantat“ zum ersten Mal gehört. In der HNO-Uniklinik in Frankfurt/Main wurden über mehrere Stunden alle bekannten Untersuchungen durchgeführt. Am Ende stand fest, dass der Hörnerv intakt ist, was eine CI-OP möglich machen würde. Vorher müsste ich aber noch drei Monate Hörgeräte testen. Damit wollte man feststellen, wie viel Resthörfähigkeit ich rechts noch habe. Dies waren aber leider nur 10%. Damit konnte ich - an Taubheit grenzend - nichts verstehen. Und somit stand fest, dass die Krankenkasse einer CI-OP zustimmen würde.

Noch bevor ich den zweiten Termin in der HNO-Klinik der Uni Frankfurt/Main hatte, erhielt ich die Genehmigung  der Reha im „Bescheid im Eilverfahren“. Zuvor war die Reha abgelehnt worden. Jetzt hatte ich innerhalb von zehn Tagen die Reha in St. Wendel anzutreten.

Während der fünf Wochen Reha wurden Übungen fürs Gleichgewicht durchgeführt und ich wurde wieder fit gemacht. In dieser Zeit habe ich versucht, mich - durch die wertvolle Unterstützung von CI-Trägern, Therapeuten, Logopäden und Ingenieuren - über ein CI zu informieren. Ein toller Erfahrungsaustausch erfolgte beim „CI-Café“, ein Austausch mit bereits implantierten Menschen und mit denen, die kurz davor standen. In dieser Zeit fiel meine Entscheidung, dass ich mich implantieren lasse. „Nur“ musste ich noch meine Familie davon überzeugen.

Bevor ich aus der Reha-Klinik entlassen wurde, erhielt ich noch einen Termin in der HNO-Uniklinik in Mannheim. Für diesen Termin war ich mittlerweile gut vorbereitet. Und zwar hatte ich mir in einer Excel-Tabelle die Details der CIs der vier großen CI-Hersteller aufgezeichnet.  Somit war für mich im Juli 2016 die Entscheidung für eine dieser Firmen gefallen. Am 11. August  bin ich in Mannheim implantiert worden.

Ein neues Leben beginnt

Zur Erstanpassung wurde ich erneut nach St. Wendel geschickt. Die erste CI-Einstellung wurde vorgenommen und die ersten Hör- und Sprachübungen erfolgten. Ich bewundere bis heute die hohe Kompetenz aller Mitwirkenden. Am 29. August 2016 begann das neue Leben mit dem Sprachprozessor.

Für die Übungen daheim erhielt ich CDs. Im Herbst 2016 erfolgte dann die CI-Reha. Toll, wie die Übungen von Woche zu Woche aufgebaut waren! Auch während dieser Zeit konnten wir auf den Zimmern in jeder freien Minute mit dem „Audiolog IV“-Programm üben. Auch haben wir Einblicke in die Gebärdensprache erlangt.

Nach fast einem Jahr Krankmeldung begann ich am 2. Januar 2017 mit der stufenweisen Wiedereingliederung. Ich hätte nie gedacht, dass ich sieben Wochen dafür benötigen würde, um wieder in die Arbeitswelt zurück zu finden. Während der ersten Wochen dachte ich noch: „Das schaffe ich nie.“

Langsam wurde es besser. Nun arbeite ich wieder in Vollzeit. Das schaffe ich aber nur, weil ich drei Tage pro Woche ins Büro fahre und an zwei Tagen pro Woche in Home Office arbeite. Sobald der Stress zu groß wird, meldet sich der Tinnitus bei mir (Rauschen). Nebenher erhalte ich noch psychologische Unterstützung, Physiotherapie, CI-Einstellungen, Hörtest, Sprach- und Hörtraining etc. vor Ort in Offenbach und in Frankfurt/Main. Ich trainiere – so es die Zeit zulässt – mit tollen Hilfsmitteln wie Audiotransmitter, MiniMic 2+ und Telefonclip.

Alle Mitwirkenden haben Geduld mit mir, weil die Hyperakusis des linken, gesunden Ohres da ist und es mein Gehirn nicht erträgt, wenn mehr als eine Person gleichzeitig redet. Das Gleichgewicht wird von Tag zu Tag besser, doch merke ich einen Unterschied bei Wetterveränderungen. An Tagen mit Tiefdruck-Wetter geht es mir besser als an Tagen mit Hochdruck-Wetter. Es wird nie mehr wie früher werden, aber meinen CI-Sprachprozessor gebe ich nicht mehr her.

Im Dezember 2016 habe ich mich einer Selbsthilfegruppe angeschlossen und sah kurz danach die Notwendigkeit, Mitglied im CIV-HRM zu werden. So wie ich vor der CI-OP und danach Menschen mit Fragen „gelöchert“ habe, so setze ich mich nun als Multiplikator für andere Menschen ein, die ebenfalls Informationen dringend benötigen.

Toll, dass es solche Hörprothesen gibt!   

Adelaida Luschnat
Erschienen in Schnecke 06/2017

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