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"Hier ist alles, was ich brauche" - Märkische Allgemeine vom 12.01.2006

"Hier ist alles, was ich brauche"

Hörgeschädigte fühlen sich in der Türk-Schule wohl / Heute wird sie 50.

CLAUDIA KRAUSE 
 
SCHLAATZ Auf seinen 18. Geburtstag hatte er sich so sehr gefreut. Und doch "war ich dann oft still und habe mich zurückgezogen, weil alle durcheinander gequasselt haben und ich gar nichts mehr verstand". Max Zellmer ist seit einer Miningitis schwerhörig, kann aber recht gut sprechen. Seit eineinhalb Jahren lernt der gebürtige Rostocker in der Wilhelm-von-Türk-Schule im Schlaatz. In Potsdam fühlt er sich so wohl, dass er am liebsten auch am Wochenende hier bleiben würde. Doch das Internat ist dann zu. Zuhause in Ludwigslust sei die Kommunikation nicht so einfach wie in der Schule, "die nicht altmodisch ist, tolle Ideen und ein Computerkabinett hat". Seine Mutter gebärde nicht und sein Vater sei mitunter ungehalten, wenn der Sohn nicht schnell genug versteht und schon gar nicht schnell genug antwortet. Dabei redet Max gern mit Menschen und will am liebsten Physiotherapeut werden. Sein sehnlichster Wunsch ist ein Cochlea Implantat, das ihm das Hören, Reagieren und Differenzieren von Geräuschen und Sprache ermöglicht. Als Behinderter sieht er sich nicht, aber er fühlt sich "oft einsam und möchte nicht in der Ecke stehen". Mit dem CI, dessen Kosten "hoffentlich die Barmer übernimmt", sieht er eine Chance, aus der Ecke raus zu kommen. 
 
Sebastian Kleissl aus Werder hat ein CI und träumt davon, einmal Automechaniker oder Chemielaborant zu werden. Ein preisgekrönter Leichtathlet ist er schon. Als Läufer rennt er so manchem Starterfeld davon, wie jüngst beim Caputher Seenlauf. Er besucht seit der Vorschulzeit die Türk-Schule und ist zufrieden. Behindert fühle er sich nur, wenn es draußen gießt und er nicht Fußball spielen kann. Das CI verträgt nun einmal kein Wasser. Traurig mache ihn die Taubheit nicht. "Ich habe normal hörende Freunde, treibe viel Sport und wenn jemand wie eine Verkäuferin im Stern-Center zu schnell redet, bitte ich, es zu wiederholen oder langsamer zu sprechen", sagt der junge Mann.
 
Dankbar spricht er von seinen Eltern, die frühzeitig mit ihm bei der Logopädin waren und immer das Sprechen trotz Taubheit trainiert haben. Sicher und geborgen fühlt sich auch Sophie Prepernau, die seit der Kita zu den Türk-Kindern zählt. Heute ist sie 15, hat ein CI, aber relativ große Sprachschwierigkeiten. "Traurig bin ich deshalb nicht", sagt sie und lacht. In Potsdam habe sie alles, was sie brauche. In all den Jahren habe sie nie der Mama nachgeweint, wenn sie von Eisenhüttenstadt für eine Woche Abschied nehmen muss. Für Sarah Schiller aus Herzberg war der Versuch Regelschule gescheitert. "Alles war mir zu laut, die Lehrer waren zu schnell und meine Leistungen wurden immer schlechter", erzählt das schwerhörige Mädchen. Vor Potsdam habe sie zwar ein "bisschen Panik" gehabt, aber hier gehe es ihr gut. "Alle sprechen langsam, erklären geduldig und ich habe mich verbessert", sagt sie stolz.
 
Schulleiterin Uta Kapp freut sich über das Lob. Für manch einen ihrer Schützlinge hätte sie sich gewünscht, dass er eher nach Potsdam gekommen wäre. "Ein Hörgerät allein reicht nicht, man muss erkennen, dass die Hörschädigung pädagogische Auswirkungen hat", sagt sie. Die Problematik spiele aber in der klassischen Lehrerausbildung keine Rolle. Wer stark frustriert aus einer Regelschule zu ihnen komme, habe es auch hier erst einmal nicht leicht. 
 
Seit 50 Jahren arbeitet die Schule für hörgeschädigte Kinder in Potsdam. Mit 33 Schülern war sie im Januar 1956 in den Dachräumen der Schule am Finkenweg eröffnet worden, dann zog sie in die Große Stadtschule und 1959 in Baracken auf dem Sago-Gelände an der Michendorfer Chaussee. Dort wurden Kinder aus den damaligen Bezirken Potsdam und Frankfurt/Oder betreut. Die Räume und Anlagen waren im damaligen Nationalen Aufbauwerk von Lehrern, Schülern und Eltern hergerichtet worden. "Nach einigen Jahren konnten mehr als 10 000 dieser 'Aufbaustunden' abgerechnet werden", erinnert sich der ehemalige Lehrer Hans-Werner Mihan in der Festschrift zum Jubiläum, das heute im Schlaatz gefeiert wird, wo die Schule seit 1991 ihr modernes Domizil hat.
 
Quelle: http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/10627996/60709/
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