Zum Hauptinhalt springen

Maria Wisnet in HÖR-PÄD zum 9. Friedberger Symposium

HÖREN - SPRECHEN - VERSTEHEN

Das 9. Friedberger Cochlear Implant-Symposium vom 15. - 17.05.2003 befasste sich auch in diesem Jahr wieder mit den Chancen des Cochlear-Implants, aktuellen Fragestellungen zur Indikation, Chirurgie, Technik und Rehabilitation.

Im medizinischen Teil waren die Themenschwerpunkte die elektrisch-akustische Stimulation (EAS) und Vorsorgemöglichkeiten im Hinblick auf eine Meningitis nach Cochlear Implantation.

Aktuelle technische Entwicklungen der drei CI-Firmen sowie kognitive Förderung und aktuelle Rehabilitationsmodelle gaben den 160 Teilnehmern zahlreiche Informationen und viel Diskussionsstoff für die Pausen. So fanden die interessierten Besucher wenig Zeit, das reizvolle Bad Nauheim und den malerischen Kurpark des Jugendstilbades zu genießen.

Die Veranstalter, die Universitätsklinik Frankfurt und das CIC-Rhein-Main, präsentierten ein volles Programm. Prof. Dr. Wolfgang Gstöttner begrüßte die Teilnehmer und wies auf Arbeitsschwerpunkte in diesem Jahr hin, zum einen die Einweihung des 1. Bauabschnittes des CIC-Rhein-Main, die am 15.04.2003 stattfand, und zum anderen die Planung und Durchführung des Symposiums. 

Nach der kurzen Begrüßung machte Dr. Andrej Kral, der bei Prof. Dr. Rainer Klinke arbeitet, dem Auditorium wieder einmal bewusst, dass wir „mit dem Gehirn hören". In Tierversuchen konnte nachgewiesen werden, dass die Taubheit nicht nur manche Entwicklungsschritte verzögert, sondern auch die Ursache für degenerative Prozesse darstellt. Ebenso wurde festgestellt, dass die Anzahl der Synapsen mit dem Zeitpunkt der Geburt zunimmt, bis zum 4. Lebensjahr bleibt und - so die Interpretation - je nach Anpassung an das Umfeld abgebaut wird. Genau deshalb sei es von großer Bedeutung, dass das angeboten wird, was das Gehirn braucht, um Sprache zu verstehen. Hierbei spiele die Frage der Strategien oder der beidseitigen CI-Versorgung keine Rolle.

Prof. Derek Houston aus Indiana stellte in seinem Beitrag verschiedene therapeutische Trainingsmöglichkeiten vor. Sie bewegten sich jedoch nicht im Rahmen von natürlichen Sprachanlässen; vielmehr hatten sie die Verknüpfung von Gegenständen und Lauten zum Inhalt.

Matthias Rüter aus Freiburg befasste sich mit der Bedeutung der natürlichen Kommunikation und der Rolle der Elternsprache. Er erinnerte wieder einmal mehr an gute akustische Bedingungen, tägliche Kontrollen und optimale Einstellung des Sprachprozessors, ebenso wie an die prosodischen Merkmale der Sprache. Seinen Vorschlag, im Alltag eine Sprache zu verwenden, die man mit Tieren, alten Menschen und Ausländern (man beachte die Reihenfolge!) benutzt, verschlug zumindest mir die Sprache. Hier wäre sicher ein Studium aktueller Literatur aus dem Bereich der Hörgeschädigtenpädagogik oder der Vortrag von Andrej Kral hilfreich.

Der 2. Themenblock befasste sich mit dem seit August 2002 vieldiskutierten Bereich „Meningitis und CI". Dr. Silke Peters zeigte zuerst die patienteneigenen Risikofaktoren auf wie Alter der Patienten, anatomische Besonderheiten der Hörschnecke, Mittelohrinfekte, bevor sie zu chirurgisch und implantatbedingten Risikofaktoren überging. Implantatbedingte Risikofaktoren wird es wahrscheinlich in Zukunft nicht mehr geben, da die 2-Komponenten-Elektrode in der Zwischenzeit vom Markt genommen wurde. Bei der Prävention gilt es vor allem, durch regelmäßige Impfungen die Gefahr einer Meningitiserkrankung zu minimieren und Infekte, vor allem im Mittelohr, zu sanieren. Dr. Neuburger, der Prof. Dr. Thomas Lenarz vertrat, bestärkte in seinen Aussagen noch einmal die Angaben von Dr. Peters ebenso wie Dr. Christiane Hey, die die verschiedenen Möglichkeiten der Impfung und Impfstoffe heraushob.

Im nächsten „Medizinerblock" stellte Prof. Dr. Wolfgang Gstöttner die elektrisch-akustische Stimulation (EAS) vor. Hier wird ein neuer Weg der CI-Versorgung eröffnet: Indem das Restgehör bei der Operation erhalten bleibt, kann man jetzt auch Patienten, deren Hörverlust im hochfrequenten Teil liegt, genau in diesem Bereich implantieren; die Versorgung im tieffrequenten Bereich erfolgt dann durch ein Hörgerät, falls nötig. Auch Dr. Jan Kiefer bezog sich noch einmal auf die Punkte seines Vorredners und betonte ergänzend die Notwendigkeit der intensiven Rehabilitation, da man sich zuerst auf das Hören mit dem CI und später an das Hören mit CI und Hörgerät gewöhnen müsse.

Auf technische Innovationen möchte ich an dieser Stelle nicht näher eingehen, da anlässlich des Kongresses des Berufsverbandes sicherlich zahlreiche Teilnehmer sich über die technischen Entwicklungen informieren.

Nach der Kaffeepause kam der „Rehabilitationsblock", den Dr. Uwe Martin mit einem sehr lebendigen und das Auditorium faszinierenden Vortrag zum Thema „Verstehen - Missverstehen als Problem des Hörens" eröffnete. Warren Estabrooks aus Toronto machte allen Teilnehmern klar, dass es die Wahl der Eltern ist, welchen Weg sie mit ihrem Kind gehen möchten. Er appellierte an das Vertrauen in das kindliche Potenzial, wies auf die Bedeutung von „motherese" und „fatherese" hin. In zahlreichen Videobeispielen stellte er seine Arbeit vor, die Bedeutung von Sprache - Ansprache und Pause wird hervorgehoben. Allen in der Rehabilitation Tätigen wurden wieder einmal mehr die wichtigen Grundsätze der Arbeit mit Kindern deutlich:

? Liebe zum Kind

? Glaube an das Kind

? Konsequenz

? frühzeitiges Loslassen des Kindes

Prod. Dr. Gottfried Diller gab einen ersten Überblick über das Forschungsprojekt „CI-Rehabilitation", in dem Fragen zur Prozessoranpassung, Dauer der Reha-Maßnahme, Kommunikation in der Familie vor und nach der Implantation angerissen wurden.

Dr. Katrin Neumann eröffnete gegen Abend dieses langen Symposiumtages ein neues Themenfeld, in dem sie einen Überblick über das hessische Hörscreening-Programm gab. Dr. Mattheus Vischer aus Bern ergänzte. 

Nach mehr als 8 Stunden Vortragsangebot hatten alle Entspannung beim Candle-light-Dinner verdient, das der „gute Geist" des Symposiums, Herr Lothar Ruske, wieder in altbewährter Qualität organisierte. Das 4-Gänge-Menü im Spiegelsaal wurde unterbrochen durch die Darbietungen der Frankfurter Tangoschule mit der Tänzerin Fabiana Jarma, so dass die Anstrengungen des Tages schnell in entspannter Atmosphäre vergessen wurden.

Den nächsten Tag eröffnete Warren Estabrooks, in dem er Übungen zur Segmentierung und zum auditiven Gedächtnis darstellte. Einen großen Themenblock des 2. Tages stellte die bilaterale Versorgung dar. Hierzu präsentierte Prof. Dr. Roland Laszig seine Studie, Dr. Müller stellte wieder einmal mehr seine Ergebnisse vor und Herr Michael Schwaninger als Betroffener betonte, dass für ihn die Implantation den Wiedereintritt ins Leben bedeutete. 

Nach dem „bilateralen Block" wurde es nach der Kaffeepause wieder pädagogisch. Herr Klaus Berger machte allen unter der Thematik „Erziehung schafft Sprache" bewusst, dass Hören, Lauschen und Muttersprache nicht gelehrt werden können, sondern vielmehr so selbstverständlich im eigenen Verhalten integriert sein müssen, dass das Kind diese Fähigkeiten erwerben kann.

Dr. Wolfgang Baumgartner berichtete über die schulische Entwicklung von CI-Kindern. Dem Zuhörer stellt sich (jedenfalls mir) hierbei immer die Frage, ob eine CI-Implantation nur dann erfolgreich ist, wenn das Kind anschließend die Regelschule besucht.

Frau Kersten Lemke widmete sich in ihrem Vortrag dem Lesen und stellte ihre Arbeit dar, die man an vielen Stellen hinterfragen könnte, bevor zum Schluss noch einmal die Technik zu Wort kam. 

Auch diesmal bot das Symposium allen Teilnehmern ein dicht gedrängtes Programm, das die Interdisziplinarität widerspiegelte, die Garant für den Erfolg ist. So wurden in den Beiträgen die Medizin, Audiologie, Pädagogik, Therapie und last, but not least, die Betroffenen selbst angesprochen. Es zeigte sich aber auch, dass eine neue, junge Generation von Referenten wie Andrej Kral und Silke Peters auch in Zukunft qualitativ anspruchsvolle Veranstaltungen garantieren.

Maria Wisnet

Mainzer-Tor-Weg 13

61169 Friedberg

  • Erstellt am .