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Fussball: Roberto Carlos und Lukas Kessler im Berliner Olympiastadion - Giessener Anzeiger vom 11.09.2004

Roberto Carlos und Lukas im Olympiastadion

Lukas Keßler aus Langgöns als „Eskort-Kid“ bei jüngstem Länderspiel

GIESSEN (wei). Für Lukas Keßler aus Langgöns war das Fußball-Länderspiel Deutschland gegen Brasilien ein ganz besonderes Erlebnis. Er war am Mittwoch im Berliner Olympiastadion eines der elf „Eskort-Kids“, die die brasilianischen Fußballer zum Anpfiff auf den Platz begleiteten. Lukas lief dabei an der Hand des brasilianischen Mannschaftskapitäns Roberto Carlos und stand während der Hymnen vor ihm.
 
Zu verdanken haben Lukas und die zehn weiteren „Eskort-Kids“ der Brasilianer diese Erfahrung der Deutschen Cochlear Implant Gesellschaft (DCIG). Deren Vizepräsidentin Ute Jung stellte den Kontakt zum Deutschen Fußball-Bund (DFB) her und kümmerte sich um die „arbeitsintensive“ Organisation. Die DCIG versteht sich als Interessenvertretung aller Cochlear-Implant-Träger. Das Cochlea Implant (CI) ist eine Prothese, die ausgefallene Funktionen des Innenohrs ersetzen soll. Es ist geeignet für ertaubte und hochgradig schwerhörige Kinder und Erwachsene sowie für taub geborene Kleinkinder. Auch Lukas Keßler wurde gehörlos geboren. 
 
Dies entdeckten seine Eltern als er sechs Monate alt war. Daraufhin wurde er zu-nächst mit einem Hörgerät versorgt, bis er mit dreieinhalb Jahren das CI bekam, bei dem ein Elektrodenbündel durch das Mittelohr hindurch in die Schnecke (Cochlea) im Innenohr geführt wird. Gehörlos geborene Kinder sollten möglichst schon bis zum Ende des zweiten Lebensjahres ein Implant bekommen. Aber auch wenn dies geschieht bevor die Kinder vier Jahre sind, können sie noch sprechen lernen. Ein gutes Beispiel hierfür ist der 11-Jährige Lukas aus Langgöns. 
 
Er hat vor zwei Jahren begonnen, Keyboard zu spielen und hat „seitdem richtig Melodie in der Sprache“, wie es Ute Jung beschreibt. Sie betont allerdings auch, dass nach der Implantation eine intensive Schulung nötig ist, bei der sich auch die Eltern viel mit ihrem Kind beschäftigen, weil sich das Hören mit dem CI wesentlich vom normalen Hören unterscheidet. Besonders wichtig ist die Früherkennung eines Hörschadens, weshalb die DCIG und deren Regionalverband Hessen Rhein-Main demnächst der Klinik in Lich ein Gerät zum Neugeborenen-Hörscreening spenden wird. Ute Jung erklärt, dass diese Technik in Ländern wir Österreich und Belgien bereits zum Standard gehört, während Deutschland „noch hinterherhinkt“. 
CI-Kinder wie Lukas haben später sogar die Möglichkeit, Sport zu treiben. Dabei müssen sie nur darauf achten, dass es nicht zu stärkeren Erschütterungen in der Nähe des Implantats kommt. Ein CI-Junge ist sogar dabei, den Sprung in die Fußballjugend von Hertha BSC Berlin zu schaffen. 
 
Das Erlebnis als „Eskort-Kid“ im Berliner Olympiastadion aufzulaufen, fanden die Kinder aus allen Teilen Deutschlands „voll gut“, auch wenn sie samt Eltern und Betreuern danach zunächst einmal „total Ko“ waren. Schon beim Aufwärmen waren sie in der Nähe der Spieler und sahen Stars wie Ballack und Kahn vorüberlaufen. In der Umkleidekabine ging es dann ziemlich hektisch zu, bis jedes Kind eingekleidet war. Der DFB stattete die Kinder voll aus, von den Trikots bis zu den Schuhen. Sie dürfen die Utensilien auch behalten. Nach längerem Warten ging es zum großen Erlebnis ins Stadion vor 75000 Zuschauer, Fernseh- und Fotokameras. Bereits zuvor konnten sich die CI-Kinder zwischen acht und elf Jahren wie Medienstars fühlen. Schon beim ersten Zusammentreffen der Kinder über fünf Stunden vor dem Spiel waren regionale Fernsehsender und Zeitungen dabei. Ein Team des Kinderkanals begleitete ebenfalls die „Eskort-Kids“ und berichtete in der Kindernachrichtensendung „Logo“ über sie. Auch diese Herausforderung meisterten die Kinder locker. 
 
An den 8. September 2004 werden sich Lukas Keßler und seine Eltern sicher noch oft erinnern.
 
Weitere Infos im Internet: www.dcig.de
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