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Fussball: Profikicker ans Händchen genommen - RZ vom 22.09.2004

Profikicker ans Händchen genommen

Die neunjährige Julia Schuh aus Neuwied war Eskort-Kind beim Fußballländerspiel Deutschland gegen Brasilien und begleitete Adriano aufs Feld
Bei internationalen Fußballspielen sind sie inzwischen ein fester Bestandteil des Protokolls geworden: Die Kinder der Fußball-Eskorte, die vor Anpfiff mit den Spielern der beiden Mannschaften auf den Platz laufen. Jedes fußballbegeisterte Kind träumt davon, einmal den größten Spielern der Welt zu begegnen. Dieser Traum wurde für die neunjährige Julia Schuh aus Neuwied wahr: Beim Spiel Deutschland gegen Brasilien gehörte sie zur brasilianischen Eskorte.
 
NEUWIED/BERLIN. Ein bis zum letzten Platz ausverkauftes Olympiastadion in Berlin, ein ewiger Klassiker in der Geschichte des Fußballs und mittendrin die neunjährige Julia Schuh aus Neuwied: Als Mitglied der Fußball-Eskorte durfte sie an der Hand des brasilianischen Spitzenspielers Adriano vor dem Anpfiff auf den Platz laufen.
 
Julia ist ein aufgewecktes und temperamentvolles Kind, voller Energie und Tatendrang. Gerne spielt sie mit ihrem Freund Max aus der Nachbarschaft Fußball. Die große Wiese in unmittelbarer Nähe ihres Elternhauses lädt dazu ein. Etwas unterscheidet Julia aber von anderen Kindern ihres Alters: Sie ist medizinisch taub und kann nur dank einer Innenohrprothese, eines so genannten Cochlear-Implants, hören. Um Julia und anderen Kindern mit diesem Handicap ein ganz besonderes Erlebnis zu bieten, hatte die Deutsche Cochlear-Implant-Gesellschaft den Kontakt zum Deutschen Fußballbund (DFB) gesucht, und einigen jungen Kickern die Teilnahme an einem Länderspiel als Eskort-Kinder ermöglicht.
 
Schon Wochen vor dem Spiel war Julia unheimlich aufgeregt: "Ich freue mich total auf Berlin", sagt sie. "Der Max und die anderen Kinder aus meiner Klasse waren total baff, als ich ihnen das erzählt habe." Julia besucht die dritte integrative Klasse der Gehörlosenschule. Lachend erzählt sie, dass die anderen Kinder, vor allem die fuß-ballbegeisterten Jungs, gerne mit ihr getauscht hätten. Traurig, keinen deutschen Spieler begleiten zu dürfen, war sie nicht. "Wieso auch? Immerhin sind die Brasilianer doch Weltmeister."
 
An ihrem großen Tag hieß es für Julia und ihre Mutter Dagmar Schuh früh aufstehen: Schon um 6 Uhr morgens ging es mit dem Zug nach Berlin. "Auf der Fahrt war Julia kaum zu bändigen. Sie war total aufgedreht", erinnert sich ihre Mutter. In Berlin angekommen, verging die Zeit wie im Fluge: Treffen mit den anderen Kindern, Briefing durch den DFB, dann der Weg zum Olympiastadion. "Die Atmosphäre auf dem Weg dahin war einfach unfassbar", erzählt Dagmar Schuh. "Die ganzen Menschen, das Drumherum, es war ein absoluter Wahnsinn." Im Stadion wurden die Eskort-Kinder eingekleidet: Komplett mit Trikot, Shorts, Stutzen und Fußballschuhen. Nach dem Ankleiden begann dann das große Warten und die Spekulationen: Mit wem darf ich auf den Platz? Dann kam der große Moment: Julias Herz klopfte vor Aufregung wie wild, als sie mit Adriano, dem Spieler mit der Nummer 7, auf den Rasen des mit 74 000 Fans voll besetzten Olympiastadions lief. "Ihr Gesichtsausdruck war unglaublich, als sie mit den Spielern auf den Platz kam", erzählt Dagmar Schuh. Mit dem Fernglas hatte sie den Auftritt ihrer Tochter beobachtet. Etwas hat Dagmar Schuh aber doch irritiert: Im Vorgespräch hatten die Kinder die Anweisung erhalten, einfach nur geradeaus zu sehen. Julia dagegen ließ den Blick über die Ränge schweifen. "Ich habe doch meine Mama gesucht", verteidigt sie ihr Verhalten.
 
Viel zu schnell mussten die Kinder wieder vom Platz herunter. Nach dem Umziehen in der Kabine durfte die aufgeregte Rasselbande das Spiel zu Ende anschauen. "Als wir im Hotel ankamen, war Julia total überdreht. Noch während sie mir erklärte, dass sie nicht einschlafen könne, landete sie schon im Land der Träume", erinnert sich ihre Mutter lächelnd.
 
Viele schöne Erinnerungen haben Julia und ihre Mutter aus Berlin mitgebracht. Das Trikot und die Schuhe sind nur ein Teil dieser Souvenirs. Andenken an einen wirklich ganz besonderen Tag.
 
Nun hat Julia nur noch einen Wunsch: Trotz ihres Handicaps möchte sie als Mitglied einer Juniorenmannschaft den brasilianischen Spitzenspielern nacheifern können. Andrea Düpper
 
22.09.2004 © RZ-Online GmbH (www)
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