Meine Erfahrungen mit meinen beiden Cochlea Implantaten
Von Michelle
Ich kam bereits schwerhörig zur Welt, aber das wusste zu diesem Zeitpunkt noch niemand am 25.06.1998.
Damals war das Neugeborenen-Hörscreening noch in den Kinderschuhen und ging leider an meinen Eltern und mir vorbei, sodass man nicht frühestmöglich erkennen konnte, dass ich schwerhörig bin.
Ich lebte ganz normal mit vielen Tönen und Geräuschen und wuchs mit anderen Kontakten auf, aber meine Familie merkte dabei, dass etwas nicht stimmte. Ich reagierte anders als andere Kinder und meine Familie musste oft laut mit mir sprechen, zudem waren Spielzeuge mit Tönen für mich uninteressant.
Meine Eltern ahnten schon langsam, dass es vielleicht mit meinem Gehör zusammenhängt. Sie gingen mit mir zum Kinderarzt, doch das blieb erstmal erfolglos, da der Arzt erzählte, dass ich nur schüchtern sei und meine Eltern sich keine Sorgen machen müssten.
Das passte meiner Familie aber überhaupt nicht und sie suchten weiter, bis sie Antworten bekamen. So kam es im Alter von 3,5 Jahren zu den Untersuchungen an der Uni-Klinik Frankfurt und dort stellte sich heraus, dass ich nicht gut hören kann.
Es ging dann alles sehr schnell und ich bekam zunächst einmal Hörgeräte. Damit sammelte ich meine Erfahrungen im Kindergarten, aber das war leider nicht das Optimum für meine Situation.
Man sagte uns, dass man mit Cochlea Implantaten (CI) noch viel mehr rausholen könnte und somit das Leben noch einfacher wird. Somit kamen dann weitere Untersuchungen auf mich zu und ich bekam mit fünf Jahren auf der rechten Seite mein erstes Implantat.
Ich weiß nur noch, dass es für mich sehr komisch war, weil ich ja als Kind nicht genau verstanden hatte, was passiert, aber ich habe in der Zeit auch andere Kinder kennengelernt, die genau dieselbe Operation hatten wie ich und hatte nebenbei gleichgesinnte Spielkameraden.
Nachdem das CI eingestellt war, änderte sich die Welt für mich. Durch hartes Training, Reha und Logopädie erreichte ich ein gutes Sprachverstehen. Meine Eltern mussten nebenbei viel mit mir trainieren und mich unterstützen, wo es nur ging.
Dadurch konnte ich direkt mit sechs Jahren in die 1. Klasse gehen und habe mit 9 Jahren auf dem linken Ohr mein zweites Cochlea Implantat erhalten.
Damit konnte ich noch viel mehr verstehen und erreichte somit auch meinen Schulabschluss. Danach begann ich direkt mit meiner Ausbildung als Hörakustikerin, weil ich schon immer gerne Menschen helfen wollte und meine Erfahrungen als Selbstbetroffene mit anderen teilen möchte.
Seit nunmehr fünf Jahren bin ich in diesem Beruf tätig und freue mich immer wieder den Kunden zu helfen und ihnen neuen Mut schenken zu können, sei es mit modernen Hörsystemen oder eben mit Cochlea Implantaten, je nach Hörstatus.
Ich möchte den Menschen gerne mit auf den Weg geben, dass man alles schaffen kann und man an sich selbst glauben muss. So lebe ich mein Leben frei nach Albert Einstein: „Genieße Deine Zeit, denn Du lebst nur jetzt und heute. Morgen kannst Du gestern nicht nachholen und später kommt früher als du denkst.“
In diesem Sinne reise ich sehr gerne, treffe mich mit Freunden, gehe ins Kino, höre Musik und gehe auf Konzerte. Ich mache zudem gerne Sport im Fitnessstudio, dabei trage ich auch stets meine Sprachprozessoren und höre beim Sport Musik, nur beim Schwimmen schütze ich zusätzlich die Prozessoren mit den wasserdichten Schutzhüllen.
Ich lebe mein Leben mit den Cochlea Implantaten im Wesentlichen so, wie es andere junge Menschen in meinem Alter auch tun.
Wellness at the Office Von Trockensaunen und Hamburgs ältestem Dorf
Von Claudia L.
So, hier bin ich wieder… der immer noch überbezahlte und unterbeschäftigte Westerwälder Basaltbrocken… teilzeitgeparkt, behindert (Ich darf das!) und neugierig auf euch.
Bei dem Wetter liegt es nahe, ein wenig Urlaubsfeeling zu verbreiten. Gut, Balkonien steht sicher auch dieses Jahr auf der Hitliste ganz oben, umso schöner, wenn die Basalttante nicht nur von den hier im Übermaß vorhandenen gesundheitsfördernden gebrannten Tröpfchen berichtet (Die Winter sind ja bekanntlich kalt und lang hier…), sondern auch noch ein paar Bröckchen bezüglich der Palette der Wellnessmöglichkeiten am Arbeitsplatz einwirft.
Nun klingt die Kombi ja für viele schon ganz schön schräg, Wellness – Arbeitsplatz – Wiedereingliederung -Chefs… Paralleluniversen, die diametral auseinanderstreben und höchstens durch schwarze Löcher in Verbindung treten. Aber nein! Weit gefehlt… ich bin angetreten, ein Exempel zu statuieren… einer muss den Job ja machen und den Advocatus diaboli geben.
Jetzt stelle mer unsma janz dumm: Wat is en Wellness …im Shopping-deluxe-Alltag, alles ist käuflich, je mehr desto pleasing…? Als Jäger und Sammler in diversen „Das- brauchst- du - alles- Geschäften“ schreien einen Dinge an, nach deren Verwendung du wahrscheinlich aus einem Jungbrunnen steigst, schön wie Helena, fit wie der Duracel-Hase, entspannt wie der Dalai Lama nach einem Zehn-Gänge-Menü und überhaupt und sowieso crunchyknackig auf Wolke 7… natürlich nur, wenn du an übersinnliche Phänomene glaubst, alle anderen haben Portemonnaie leeer. Mineralwasser, Socken, Müsli- gebt den Dingen ein Zuhause, glaubt an Wunder und folgt dem Trend!
Kann man natürlich schwach werden- muss man aber nicht. Viel wichtiger als der käufliche ist doch der Umgang mit dem täglichen Wahnsinn, für manche Job, Affenzirkus, Arbeit or Alptraum, Brutstätte des Herzinfarktes, bezahltes Hobby… für mich meine geliebte Anstalt. Und da wird`s doch eigentlich spannend, wenn`s um die Frage geht, wie well fühle ich mich… mit meinen CI… mang der Normalis?
Ja, das wird `n fundamentales Love-Bombing heute, gegen den Stream, gegen den Mainstream… weil sie es wert sind, die Spa-Verantwortlichen…die da hocken und brüten und denken… und die die Quadratur des Kreises versuchen, so gut sie können. Und jetzt sind wir schon mitten drin im Thema, denn ich berichte heute aus meinem persönlichen Wellnesstempel, ganz exklusiv und unzensiert. Ich kam im Dezember mit banger Buxe, wie ihr wisst, es war arschkalt wie es sich gehört im Westerwald, im Wellnessressort an. Wie das so ist, bei allen ersten Malen im Leben, drei totgesagte Schmetterlinge im Bauch, Hummeln im Hintern, Hände so klebrig wie ein alter Handkäs` und keinen Plan, ob der Plan, den es nicht gibt, auch funktioniert. Als Zusatzverstärker, Händchenhalter und Lebensversicherung hatte ich Begleitung vom Fachdienst für Hörgeschädigte mit an Bord… und dann checkten wir zwei Beiden ein… der Raum war bekannt, die Spa-Betreiber ebenso, nur der Ablauf und die Frage der Bekömmlichkeit lagen im Dunkel des Ruheraumes. Herzschlag so schnell wie die Flügelschläge eines Kolibris, Pokerface… jahrelanger Übung sei Dank.
Wie das so ist in einem guten Ressort, gab es ein kleines Vorgeplänkel, Käffchen, Smalltalk. „Komm klar Mädel, du bist kein junger Hüpfer mehr- eisgehärtet-rostfrei-Wilkinson Sword“- mein Mantra. In der Tat, Kinderkriegen hat nachhaltigen Nutzen, das Wegatmen klappte perfekt. Und dann saß ich dem „am Wasser gelegenen“ ältesten Dorf Hamburgs gegenüber…meinem Kollegen und Chef… und er machte seinem Namen alle Ehre. Plötzlich war da der Flow…, das Comimg-home-Feeling, irre und so nicht erwartbar. Ich war nicht mehr am Tresen zur Anmeldung, ich sank ganz tief und langsam in meine persönliche Badewanne mit Schaum bis fast zum Firmament. Es war unglaublich. Ich kam mit keiner Idee, wie ich ohne Technik und Raum eine Sekunde überleben könnte, ich hatte allenfalls Survivalstrategien, was ich in den kommenden Wochen machen wollen würde. „Ep“ selbst war im beruflichen Umgang mit `ner Tauben auch ein Greenhorn. So saßen wir drei, keine Ahnung von der Richtung des „new way, new life“ und den Kopf doch voller Pläne. Meine Wünsche, die nur so heraussprudelten, wurden angenommen, ich wurde angenommen, die Dinge verloren ihre unnötige Schwere, ein getanzter Dialog.
So begann ich, mir meinen Stundenplan selbst zu klöppeln, völlige Freiheit und Entscheidungsgewalt, was tut mir gut in der entsprechenden Situation. Ich begann und stellte mich in allen Klassen und bei allen Kollegen vor, teilweise ein Home-run, ich kannte sie noch als Dreikäsehochs, inklusive Loch im Bauch wegen der kindlichen wunderbaren Neugier, Begrüßung in Gebärdensprache, die Technikbegeisterten erhielten eine Kurzeinweisung. Wie klingt das Ding? Was machst du im Schwimmbad? Gibt`s die auch in fancy Farben? Und schnell, ganz schnell war ich wieder drin…, das Schaumbad wurde nicht kälter, kam immer warmer Input hinzu. Und es bewahrheitete sich die Tatsache, für Kinder ist das alles easy-going, wenn man sie nah ranlässt, an das, was man ist, was man fühlt und auch an das, was einen kirre macht.
ICH BIN BEHINDERT- UND ICH DARF DAS SAGEN- SHOCKING!!!
So ging es los und zack, es funzte. Gesprächsregeln, Party im Raum, Videotrailer auf Festival-Lautstärke, Düsenjet-Stimmen der Kollegen und Mäppcheninhalte, die ihre Ausbreitung stringent und nach dem Prinzip der größtmöglichen Verteilung zelebrierten… da ist noch Luft nach oben, das ist quasi das Eisbecken in meinem Spa…, a little bit schmerzhaft, aber gehört dazu. Nach Wochen des „Erhörens“ jedes Raumes ging ich dann gezielt mit einigen Kollegen und Klassen mit, die Stundenzahl oblag noch immer meinem eigenen Ermessen, ich erhöhte aber kontinuierlich, da die Rogeranlage noch nicht mal Quark im Schaufenster war. Das Gefühl, überflüssig zu sein, verflog beinah sofort, zu sehr wollte ich wieder Rampensau sein. Besonderes Highlight, tauber Musiklehrer im Musikunterricht, Schroedingers Katze… ein Objekt kann sich gleichzeitig in unterschiedlichen Zuständen befinden… bin ich taub oder nicht oder was? Mein Kollege und ich wurden zum Dreamteam, ich erzählte und er soufflierte mir die Fragen der Kinder in mein CI, wenn die Mucke spielte, ging ich ins Off…Symbiose für Bio-Profis.
In guten Spas gibt`s nach dem Aufguss in der Sauna ein Hefeweizen, auf der Schaukel, an der frischen Luft…und der erste Schluck muss zischen, meine Schaukel stand da, wo ich sie haben wollte, in Bad Marienberg, prädestiniert als Luftkurort… inklusive Tablett mit dem vollen Glas und Massagegutschein.
Wer von euch kennt noch Robert Lembke? „Welches Schweind`l hätten`s gern?“Oder anders, wie soll sie denn sein, die eierlegende Wollmilchsau, respektive die, die uns begleiten bei unserem Comeback, in diesem Fall meine beiden Chefs?
Ich hab lang überlegt. Zu einfach machen wir es uns zu oft, zu kritisch sehen wir die vermeintlichen Mankos, zu sehr in Schubladen sind wir verhaftet. Und… weil`s Spaß macht, hab ich Tante Google mal nach Werbesprüchen befragt. Ein Freund meinte ja, es gibt nichts, was man nicht findet dort- das halte ich für ein Gerücht, aber hier hat die Taube was gefunden…. „Engagement, auf das Sie zählen können!“(West LB). Jaaa, das trifft den Nagel auf die Birne…zum einen ist da der „Großmeister der Kakteen“, Zweitwohnsitz in seiner Trockensauna im Garten, Sieger über jeden blühunwilligen Kaktus, Wissen to go dazu in zehn Sekunden on point, eine meiner zuverlässigsten Konstanten in den vergangenen zwei Jahren. Motto: Wenn du einmal traurig bis, schick ich dir`n Kaktusbild, und wenn du dann noch traurig bist, dann schick ich dir`n Kaktusbild, und wenn du DANN noch traurig bist… dann, ja dann schick ich noch die „Königin der Nacht“. Zum anderen der „Großmeister der Worte“, zweite Konstante in dieser langen Zeit, der im Fluss ist zu jeder Tageszeit und zugewandt ohne jede Attitüde, der die Verbandsgemeinde wegen meines Raumes x plus Null mit ins Boot geholt hat und Vertrauen darauf, dass ich das gemanagt bekomme, wie Kamelle verstreut. Und bald wird der nächste Schritt in Angriff genommen, eigener Unterricht mit Anlage im eigenen Raum, kleinstes Ritzel erstmal, mit Absprachen und dem Gefühl: „Wir schaffen das.“ Unkompliziert waren beide in der Zeit des Neubeginns und das hat`s mir mehr als leicht gemacht, das Day-Spa zu genießen, finale Hymne:
Back in black
I hit the sack
I've been too long, I'm glad to be back
Yes, I'm let loose
From the noose
That's kept me hanging about
I've been looking at the sky
'Cause it's gettin' me high
Forget the hearse 'cause I never die
I got nine lives …
Was sind denn nun gute Chefs? Was sie nicht sind, fällt uns oft leichter zu formulieren. Was man nicht will, weiß man schneller. Und ganz im Vertrauen…, wir gehen mit unserer Kritik oft nicht zimperlich um. Ich kann nur für meine Spa-Betreiber sprechen. Ein exemplarisches Beispiel, wie´s sein kann, wenn´s sein darf, wie es sein soll. Ohne Anspruch darauf, dass es für andere auch passt.
Ein Chef ist ein Chef ist ein Chef…, souverän, vorausschauend, empathisch, klar, strukturiert, Grenzen setzend, ein Korrektiv, loyal, fordernd und fördernd, das ist mir wichtig.
Ich will euch Mut mitgeben, es kann klappen, es kann richtig geil werden, mit Kamelle, Blasmusik und Feuerwerk. Und es gibt sie, die Wellnesstempel, in denen Arbeit natürlich Arbeit ist, keine Frage, in denen aber auch am bescheidensten Tag ein klitzekleines Glücksgefühl mitschwebt…gemessen in der Einheit der Größe eines Kolibris.
Nu bin ich feddisch , aber es wäre toll, wenn ihr schreibt, was ist euch wichtig für euren Gang zurück in den Alltag im Beruf? Wie soll sie sein, die eierlegende Wollmilchsau? Welches Schweind´l…;-)))?
Denn das find ich wichtig, Austausch und das Gefühl, verbunden zu sein, in einer Community, ehrlich und ohne Theaterschminke. Lasst mal hören…, vielleicht finden sich ja noch mehr Mutmach- Geschichten. Ich würd´ mich freuen.
P.S. Die gesundheitsfördernden Tröpfchen sind nicht vergessen
Es geht immer weiter, mit dem Blick nach vorne und nicht nach hinten
Von Thomas Leitz
September 2020, 7 Uhr morgens im mobilen Arbeiten. Plötzlich Nebel in meinem Kopf, Watte in meinem linken „noch“ hörenden Ohr. Ich stehe auf, schwankend wie auf hoher See und 10 Wodka Flaschen intus. Panik verbreitet sich in meinem Inneren. Der Griff zum Smartphone, ich rufe meine Bekannte an, die glücklicherweise im selben Haus wohnt.
Die letzten Worte, die ich vernahm „ich komme“. Stille, Panik, mein Körper schüttelt sich, übergibt sich ununterbrochen und die Toilettenschüssel ist Halt und mein bester Freund zugleich. Alles läuft ab wie in einem surrealen Film. Der Notarzt trifft ein. Bilder verschwimmen, ich drifte immer ab.
Wenig später, im Krankenwagen. Die Landschaft fliegt an mir vorbei, meine Seele will loslassen und doch ist in meinem Inneren ein Lebenswille, der mich wachhält. Ich werde nach der Notaufnahme in die Stroke Unit verlegt. Ich möchte nur schlafen, nur lässt man mich nicht. Untersuchungen, Infusionen, betroffene Gesichter.
Was reden die da? Weshalb schauen die mich dabei nicht an? Sie reden über mich, aber nicht mit mir, was mich wütend macht.
Ich verlange nach Stift und Papier. Ich möchte, dass mir mitgeteilt wird, was geschieht. Die Stunden vergehen und ich bin in meinem Inneren gefangen, trete in eine andere Welt.
Innen still und außen diese laute, hektische Welt, in der ich vor kurzem noch, als Mono-Hörer aktiv war. Mein rechtes Gehör hat mit vier Jahren den Empfang eingestellt, wohl aufgrund einer Entzündung durch Masern.
Innerhalb von drei Tagen wurde mein Kopf viermal gescannt, wahrscheinlich kennen die mein Hirn jetzt besser als das von Einstein.
Die Klinik war im Corona Modus, wenig Personal, viel Aufwand, Hektik. Das Personal war dennoch zuvorkommend, obgleich ich jedem die Anspannung anmerkte. Eine HNO-Station wurde für Corona Patienten vorgehalten, daher schickte man mich, ahnungslos, schwankend für zwei Tage nach Hause. Surreal, scheiß egal. Zwei Tage später eine Diagnose, OP links, wieder nach Hause und noch weniger einen Plan, überfordert, leer, kaum zur Ruhe kommend, heulend.
Ich drehte die Anlage auf mit meiner geliebten Musik, um den Bass mit meinen Händen zu spüren, Kopfhörer aufgedreht und es war NICHTS. So schnell wie es ging, schaltete ich in den Kampfmodus, nicht mehr, warum und wieso, sondern wie weiter.
Um nicht durchzudrehen, habe ich meine Arbeit im mobilen Arbeiten aufgenommen, ich wollte spüren, sehen, wie es ist in der tauben Welt zu arbeiten. Nach einer emotionalen Odyssee HNO, Klinik in Freiburg, Ämtern usw. erhielt ich Ende Oktober 2020 mein Cochlea Implantat (CI), fünf Tage später meine Erstanpassung.
„Sie werden angedockt“, innerlich aufgewühlt wartete ich darauf was passiert. Nach 60 Tagen Taubheit, vernahm mein Kopf ein Geräusch „Papierrascheln“, meine Seele heulte, freute sich, wollte den Techniker umarmen. Wie im falschen Film, ging ich raus und vernahm die ersten 0/1 Bytes elektronische Klänge.
Was ist das? Eine Krähe? Woher kommen all die Geräusche. Im Speisesaal, Hagelkörner auf ein Blechdach, dabei war es Geschirrklappern und ich machte erstmal mein CI aus, weil ich das Gefühl hatte, mein Kopf platzte, um es sogleich wieder anzuschalten, weil ich neugierig war, ich mein Gehirn wieder aktivieren wollte.
Meine Hörreise begann.
Nun nach fast zwei Jahren auf der Reise, habe ich mich an mein CI gewöhnt bzw. mich damit versöhnt. Was ich vermisse, die Musik, sie wird mich nie wieder so berühren, wie in der hörenden Welt.
Tagtäglich fallen mir Dinge im Alltag auf, die Intoleranz der Hörenden, diese hektische Welt um uns herum, kaum noch Zeit „hinzuhören“, sich mit den Themen auseinander zu setzen.
Für mich ist es ermüdend, mich ständig in den Vordergrund zu stellen „können sie mich bitte beim Sprechen anschauen“, „können sie bitte langsamer sprechen“, „nein, es ist nicht mehr so, wie davor“, „es ist eine Hörprothese, kein Hörgerät“ usw.
Mein Implantat hat mich vieles gelehrt, es hat mich ruhiger werden lassen, entspannter, dankbarer für das Leben, leider hätte ich davor besser „Hören“ sollen, dann würde ich noch hören.
Wir begreifen erst, wenn manches zu spät ist. Aber das ist nun mal das Leben und wir haben es immer selbst in der Hand, mit den Situationen umzugehen und das Beste daraus zu machen.
Allen, die sich auf die CI Hörreise begeben oder schon mittendrin sind, wünsche ich Kraft, Mut, Liebe für sich und die anderen, nicht zu verzweifeln, sondern das Schöne in sich und im Außen wahrzunehmen.
Hi, ich bin die, die das Leben liebt, die Überraschungen jeden Tag, Musik und die Lübecker Marzipan jedem Diamanten vorziehen würde (von wegen…“Diamonds are a girl's best friend“).
Warum ich mich hier verewige…ich bin ein Cyborg, aus Überzeugung und mit dem Willen, die verrücktesten und buntesten Cochlea Implantate (CIs) der Welt zu tragen – und – weil ich mit den Dingern jetzt endlich wieder die Möglichkeit habe, „Call me maybe“ nicht nur zu hören, sondern das auch selbst zu sagen…und das ist der Hammer.
So, jetzt ein paar Basics:
Ich bin Claudia, 54 Jahre (gefühlt eher anders herum ;-)), taub, von Beruf- und jetzt kommt ein Treppenwitz der Geschichte - Musiklehrer. Jaaaaa, toll, ne!! Kommt selten vor, aber… so what.
Als ich noch ein langweiliges „normal hörendes“ Leben hatte, so ungefähr 46 Jahre lang, hätte ich jedem, der mir erzählt hätte, dass ich bald taub sein werde, nicht nur einen Vogel, sondern wahrscheinlich die gesamte Vogelhochzeit gezeigt. Nun ja, „Zeiten ändern sich und dich“ und mich natürlich auch.
Als Michael mich bat, hier etwas zu schreiben, habe ich meine Gehirnwindungen lange rotieren lassen. Wat schreibste? Wie schreibste? Kannste auch witzig oder musste betroffen…, damit sich keiner nicht ernst genommen fühlt? Ist gar nicht so einfach…, die eierlegende Wollmilchsau zu finden. Aber, ich kann nicht aus meiner Haut, deswegen kommt das jetzt so!
Für`s Protokoll: Ich habe mal Pädagogik, Musik und Germanistik studiert, vor grauen Zeiten, als die Mauer nicht nur in Köpfen bestand, sondern noch real war, sozusagen auf der dark-side, wo Bananen zur Bückware gehörten. Nach zwei Kindern und diversen Ortswechseln verschlug es mich mit der Sippe 2003 in die Pampa, respektive in den schönen Westerwald, wo ich als Lehrerin in Bad Marienberg meinem Hobby nachging. Alle war chic, sozusagen eine happy-never-ending story, bis ich mit 46 Jahren das dumpfe Gefühl hatte, die Kinder in der Schule sprechen auch immer schlechter, nuscheln, sind extra leise und überhaupt, auch die Kollegen sind sprachlich nicht mehr so ganz auf der Höhe. Bei einem Freundschaftsbesuch beim HNO-Arzt meines Vertrauens wurde mein Eindruck, ich könne unter Umständen etwas schwer hören, zu Beginn leicht angezweifelt. Zu sehr hatte ich das Absehen und das Kombinieren mit der Gestik anscheinend über eine längere Zeit perfektioniert. Das Ergebnis des Hörtests war ernüchternd, noch keine taube Nuss, aber auf dem besten Wege dorthin. Hörgeräte mussten her, möglichst schnell, möglichst gute und möglichst nicht hässlich farblos. Da waren sie dann, die Probleme, schnell und gut funktionierte, aber hässlich wie die Nacht waren die Dinger, so oldschool, keine gescheite Farben, kein Glitzer, kein Highend-Accessoire. Jede Brille sah besser aus und war modischer als die „Lauschis“.
Sechs Jahre gab ich den Dingern ein Zuhause, dann war Feierabend. Wieder nuschelten die Kids, selbst nach dreimaligem Nachfragen wurde es nicht besser. Ich ahnte, was man mir in Koblenz im Marienhof schon prophezeit hatte…, meine Haarzellen im Innenohr hatten keine Lust mehr auf Arbeit, mir blühte ein kompletter Systemwechsel, Cochlea Implantate, Med-El, Claudia 2.0, neues Lebensmotto: „I will survive“ und nicht auf das Abstellgleis… ich will arbeiten… also let´s do it. Led Zeppelin hat in "Stairway To Heaven" geschrieben: „Yes, there are two paths you can go by. But in the long run there`s still time to change the road you're on".
Zuhause bleiben und das “Schicksal” so hinnehmen, das kam nicht in die Tüte. Also spielte ich Ende Januar 2020, als Corona noch ziemlich weit weg schien, das Spiel: „Ich packe meinen Koffer …“ und ließ in Koblenz im Marienhof bei Professor Maurer das rechte Ohr implantieren, total entspannt, was hatte ich zu verlieren…? Die ambulante Reha im Anschluss absolvierte ich ebenda. Die Zeit danach war nicht der Knaller, zu sehr hatte ich auf schnelle Ergebnisse gehofft, zu groß war die Euphorie, zu hoch die Erwartung. Ich fiel so tief, so bodenlos tief, wie ich es mir niemals hätte vorstellen können. Rien ne va plus…, so ließ sich mein Gemütszustand ein Jahr lang nach der OP beschreiben. Es ging nicht vorwärts, trotz Übungen, trotz aller Bemühungen, die Tinnitus machten mich bald wahnsinnig, ich hörte Sprache zwar, aber es reichte hinten und vorn nicht.
Von Musik müssen wir hier gar nicht anfangen zu reden. Wenn ich für jedes Mal, wenn der Satz fiel: „Beethoven war auch taub.“ einen Euro bekommen hätte, wäre ich reich geworden. Ich konnte es schlichtweg nicht mehr ertragen, das Fragen nach den Hörfortschritten, die Sprüche, das Kleinmachen des Ganzen durch Sätze wie: „Meine Hörgeräte sind auch nicht so toll. Bei mir pfeift´s ab und zu auch. Warum hörst du noch nichts, du hast die Dinger doch schon am Kopf seit Wochen…?“
Was macht man, wenn alles wegbricht, was ging, genau - Pläne – und sucht neue Wege. Keine Musik, kein Fernsehen, kein Lesen, keine Kommunikation – hmm, ich kann malen, da brauche ich meine Ohren nicht. Kunst ist eh mein Steckenpferd. Und ich kann backen. Also mach ich die Sippe und das halbe Dorf glücklich und verlege mich auf französische Patisserie. Da muss ich nichts hören, ich kann mein geliebtes Marzipan untermogeln, das Ergebnis macht satt und glücklich, und da ich das nicht allein essen wollte, auch anderen runde Hüften ;-)).
Heute würde ich so weit gehen, zu sagen, dass das exzessive Backen mir das Leben gerettet hat. Aber der Weg in meinen Beruf war mir immer noch versperrt. Das linke, bessere Ohr musste ja auch noch unters Messer. Im April 2021 also wieder Kofferpacken, diesmal als Insider wieder im Marienhof einchecken. Den Tag und die Nacht vor der OP werde ich nie vergessen, da kann ich auch nicht mit Humor kommen. Ich hatte die Buxe gestrichen voll, zu groß war der Schritt, zu endgültig.
Ich wusste, wenn ich wieder wach werde aus der Narkose, werden meine Ohren definitiv nur noch Deko und Halter für die CI sein und ich endgültig ein Cyborg. Auch diese OP verlief komplikationslos..., bis auf die Tatsache, dass der Schwindel mich längere Zeit häufig die komplette Gangbreite ausmessen ließ, Seemannsgang für Profis.
Nun hörte die liebe Claudia rechts nicht viel und links gar nüscht, berauschend klingt anders. Und wieder die Reha. Das heißt, es stimmt nicht, dass ich nichts hörte, im Gegenteil. Jetzt hatte das Hirn ganz wunderbare Phantomgeräusche im Angebot, 24/7 über viele Monate. Ein Traum, wenn man nachts halb drei auf der Bettkannte sitzt und denkt, gleich legt direkt neben dir ein U-Boot an. Ohne therapeutische Begleitung und Törtchen vom Feinsten wäre ich aus der Nummer nicht lebendig herausgekommen. Zu dem ganzen Schlamassel kam noch ein Brief meines Arbeitgebers hinzu, dass man mich pensionieren möchte…erstmal…ich könne ja einen Antrag auf Wiederaufnahme des Arbeitsverhältnisses stellen, wenn`s besser wird - das war das, was man als Motivation braucht, weil man all das gemacht hat, um wieder zu arbeiten. Da hätte Mark Foster noch wie oft singen können: „Egal, was kommt, es wird gut, sowieso…“ (virtuelles Augenrollen). Ich weiß nicht, wie es euch anderen in der Familie gegangen ist, aber die hat sich bei mir mit am schwersten mit den Veränderungen getan. Gesprächsregeln am Tisch - bähh, geh weg, Ansprache von hinten - hat doch immer geklappt früher, Hände vorm Mund beim Reden, das Dekor mit dem Besteck vom Teller kratzen… und und und. Ich kam mir vor wie eine Schallplatte mit einem Sprung, so oft habe ich meine Mantra wiederholt. Fremde, die mich nur als Cyborg kannten, konnten sich wesentlich schneller auf mich einstellen. Der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier.
Als ich schon nicht mehr an ein Wunder glaubte, passierte eins. Im September 2021 auf einem Spaziergang mit meinem Mann verstand ich auf einmal, was er sagte, trotz Maske und ohne in seine Richtung zu sehen. Wahhh, am Tag zuvor war ich zur Reha, dieses Mal bei einer anderen Audiologin, die an den Knöpfen herum einstellte.
Nix wie nach Hause, Fernseher an, Talkshow mit einer russischen Pianistin, die mit starkem Akzent sprach…. Ich hing förmlich vor der Glotze und saugte Stimmen auf, die ich verstand. Es war der Wahnsinn. Montags nach dem Wochenende wurde ich in Koblenz vorstellig, völlig fassungslos noch. Und es war in der Tat so, ich konnte Menschen mit Masken verstehen, die Messungen ergaben, dass meine Wahrnehmung sich extrem verbessert hatte. Ein Tschakka und Dauergrinsen später informierte ich im September meinen Arbeitgeber über die veränderte Situation, auf die er dann im Dezember reagierte…, während einer wunderbaren stationären Reha in Rendsburg. So hatte ich das Glück, zu erfahren, dass ich an einem Sonntag, 12.12.2021 völlig ohne Technik und Vorbereitung wieder meinen Dienst mit einer Wiedereingliederung aufnehmen soll. Was ein Witz!
Auch das ist heute schon Schnee von gestern, „Verdamp lang her…“, ich bin wieder in meiner geliebten Anstalt, zwar immer noch ohne Soundfield-Anlage, gehe „nur“ mit Kollegen mit und unterstütze, denn in manchen Bundesländern mahlen die Mühlen etwas langsamer, aber endlich bin ich wieder im Leben. Und das Problem der Technik wird sich auch lösen, nicht heute und morgen…, aber irgendwann in den nächsten Wochen… wenn man eins wird in der langen Zeit… dann geduldig.
Und ich werde es feiern, wenn ich vor meiner Klasse stehen kann und die Hütte brennt, mit Konfetti und Kuchen, weil ich dann endlich meine Ziele erreicht habe, tauber Lehrer in einer Regelschule sein, Inklusion auch für Erwachsene in Schulen präsentieren, CI sichtbar machen… bunt, cool und als absolutes Highend- Accessoire, so, wie ich es mir für die Zukunft und für alle CI-Träger wünsche.
Musik wird nicht mehr der Burner, damit muss und kann ich leben, aber das ist ok, denn… das Leben, das ich jetzt habe, ist 2.0, anders bunt und absolut toll. Und das Allerbeste daran ist: Ich habe das Privileg, selbst zu entscheiden, was ich höre und was nicht – die absolute Geheimwaffe eines Cyborgs! Und damit ihr noch ein letztes lecker Liedtextchen mit auf den Weg bekommt und… weil`s so gut passt:
Das alles, und noch viel meeehr, könnt´ ich nicht hören, wenn mein CI nicht wär!!!